Biathlon auf einer der größten Bergfestungen Europas

Vom 2. Citybiathlon in Oberhof im Thüringer Wald geht es noch am Abend für das Team der Biathlon-Tour weiter ins Elbsandsteingebirge, südöstlich von Dresden, unweit der Tschechischen Grenze. Unsere erst 2 Etappe im Bundesland Sachsen führt uns an diesem zweiten Augustsonntag in eine atemberaubende Kulisse rund 250 m über der Elbe. Die Festung Königstein thront majestätisch auf einem über 9 ha großen Felsplateau. Die emporragenden, mächtigen Mauern aus einer anderen Zeit lassen zugleich auch die Phantasie nach oben schnellen, was diese stillen Steinzeugen in den Jahrhunderten des Mittelalters schon so alles erleben durften? So ein bisschen kommen wir also heute als Biathlonritter in die Heimat unseres Tour-Stars, Ebs Rösch, der unweit von hier in Altenberg in seiner Kindheit und Jugend zum Juniorenweltmeister, Olympiasieger und Weltcup-Biathlet über 2 Jahrzehnte heranreifte und gemeinsam mit ihm freuen wir uns auf diese Tagesreise in eine kleine Mittelalterwelt, die für uns nur über einen Aufzug überhaupt erreichbar ist. Die Veranstaltungsmanagerin der Festung Königstein gGmbH, Simone Voigt, hatte den Kontakt zu uns gesucht, weil sie das Eventformat “Sport aktiv” nach 8 Jahren Unterbrechung nun als “Festung für Freizeitsportler” wieder aufleben lässt und innerhalb der Festungsmauern den Wintersport in vielen Facetten für ein langes Sommerwochenende als Mitmacherlebnis präsentiert. Doch bis zum Erlebnis werden auch uns noch einige Schweißperlen abverlangt.

Die Biathlon-Tour erobert die Festungsmauer

So wird der Weg zum “Mittelalter-Biathlon” nicht nur zur Zeitreise sondern sozusagen zur schwer bepackten Klettertour, denn die Einzelteile der Biathlonarena müssen von einem Aufzug zunächst auf das Felsplateau hochgezogen werden, um schließlich den rund 400 m entfernten Exerzierplatz anzusteuern, der für einen Tag zur Biathlonarena wird. Dass wir tatsächlich pünktlich um 11 Uhr den ersten erwartungsfrohen Freizeitsportlern das Biathlonerlebnis ermöglichen können liegt an der großartigen Mithilfe des Festungsteams, die uns mit so viel Empathie und Bereitschaft unterstützen und mit anpacken, dass wir ihre Festungsmauern sozusagen im Sturm erobern können. Und so begrüßen wir ein sportbegeistertes und wunderbar wettkampf-freudiges Publikum zwar an einer “light-Version” der Biathlonarena, aber die pünktliche Überwindung der Infrastruktur hatte heute eindeutig Priorität. In den kommenden gut 6 Stunden werden beinahe 100 Wettkämpfende und rund 400 Schnupperschützen den 1. Mittelalter-Biathlon der Tour zu einem höchst lebendigen Event machen und bei hochsommerlichen Temperaturen Wintersporterfahrungen sammeln.

Festung für Freizeitsportler

Das Event “Festung für Freizeitsportler” bot bereits an den Vortagen zum Beispiel mit dem Festungslauf verschiedene Highlights an. Am heutigen Sonntag wird der Wintersport nicht nur beim Biathlon erlebbar, sondern auch auf dem Snowboard-Simulator, auf der Eisstockbahn, beim Rodelanschub oder im Skiflug-Simulator. Für zusätzliche Adrenalinkicks sorgen das Abseilen an der Festungsmauer und Flying Medusa, dem Seilflug in schwindelerregender Höhe. Den Festungsgästen wird ein tolles Programm geboten und so ist es nur folgerichtig, dass wir auf ein aussergewöhnlich gut gelauntes Publikum treffen, das sich gefühlt zu ähnlichen Teilen aus Urlaubern und aus der Region Kommenden zusammensetzt und größtenteils aus Familien besteht.

Staatsgefängnis, Schatzkammer, Biathlonarena

Die Festung selbst wirkt eher wie ein ganzes Dorf mit zahlreichen Ebenen und Kulissen, die auffallend gut gepflegt sind. Einige Baustellen verdeutlichen Zukunftsinvestitionen. Mehr als bei anderen Touretappen ist hier fraglos die Location der Star. Als eine der Ersten starten am Vormittag die Gastgeber selbst in den Biathlonwettkampf. Veranstaltungsmanagerin Simone Voigt (im roten Festungs-T-Shirt) entscheidet den Dreikampf mit Jana Venus von der Festungs-Information und Festungstechniker Steffen Friebel mit starken 3 Treffern für sich. Gemeinsam erzielen die 3 jene 5 Treffer, die heute für den Tagessieg und den Gewinn der Reise zum Tourfinale im Februar kommenden Jahres nach Oberhof nötig sein werden. Simone Voigt erzählt uns einige Highlights der Historie, als die Festung noch militärisch bedeutsam, später Zufluchtsort, Schatzkammer, Staatsgefängnis war. Keine Frage, wir sind an einem wahren Kraftort böhmisch-sächsischer Geschichte und dürfen heute eine kleine Biathlongeschichte hinzufügen.

Damensiege: Was ist nur mit den Rittern von heute los?

Es könnte der große Tag der Ritter werden, doch tatsächlich erleben wir zunächst reihenweise Damensiege. Simone Voigt hatte es vorgemacht und Christin Marx (obere Bildreihe links) legt im Duell mit Jens Dzikowski sogar noch einen Treffer drauf, gewinnt mit 4:3 und übernimmt die Etappenführung. Kurz darauf besiegt die Dresdenerin, Maja Hartenstein (untere Bildzeile rechts im weissen T-Shirt) Matthias Göhring und (nicht im Bild) Richard Godena und benötigt dafür nur 3 Treffer. Ritterpleite auch für Volleyballer Marcel Eberlein (untere Bildzeile linkes Bild), der mit zwei Treffern den beiden Freundinnen Maret Hentschel und Diana Doberstau unterliegt, die beide 3 Treffer schaffen. Weiter geht’s mit Maria Jendrischock (obere Bildzeile rechts), die nicht nur Benjamin Weigt (nicht im Bild) aus der Ritterwelt auf den harten Boden der Realität holt, sondern mit 4 Treffern und 3:54 Minuten zur besten Dame des Tages wird. In dieser Zeit absolviert Maria vor ihren Treffern zudem die 400 m in der Doppelstocktechnik auf dem Skilanglauf-Cardiogerät, die unsere Biathlonneulinge ausser Atem und, bei den heutigen Temperaturen, auch leicht zum Schwitzen bringen. Eines wird bereits deutlich: Es wird die Herren von heute Schweiß und Tränen kosten, um noch würdig in die Ritterhistorie der Festung Königstein einzugehen.

Internationales Flair

Dabei erhalten die Deutschen Ritter auf der Festung Königstein internationale Unterstützung. Ebs Rösch erzählte gerade die Geschichte zu Polens Biathlon-Weltmeister und Olympiazweiten 2006, Tomasz Sikora, weil sich ein polnischer Freizeitsportler angemeldet hat und der heisst dann auch tatsächlich Martin Sikora (untere Bildzeile). Namen verleihen aber offenbar nicht gleich auch Treffsicherheit, jedenfalls ist Martin keine große Hilfe im Ritterkampf, sondern reiht sich mit einem Treffer und 4 Fehlschüssen weit hinter den besten Damen ein. Viel besser macht es Ilia Rybchyk aus der Ukraine (mittlere Bildzeile). Der Kfz-Mechanotriker schafft trotz eines von Ebs Rösch rasch reparierten Stockproblems noch eine Endzeit von 3:33 Minuten und bringt dabei 4 seiner 5 Schüsse ins Ziel. Na also, es gibt sie noch, die heutigen Ritter, zumindest Ukrainische.

Und Italienische, denn Matteo Depascale (obere Bildzeile) ist sogar schnell und treffsicher zugleich. Es könnte für den Basketballer mit seiner Zeit von 2:34 Minuten schon eine typische Etappensieger-Leistung sein, doch Millimeter vereiteln nach 4 Treffern das fehlerlose Schießen. Ob auch 4 Treffer zum Sieg reichen werden?

Die Ritter der Zukunft stehen bereit

Zumindest um die Ritter-Zukunft scheint es gut bestellt. Die 13-jährigen Zwillingsbrüder Anton und Oskar Lange (obere Bildzeile) lassen ihren Papa, Dirk, heute schon alt aussehen, obwohl der immerhin gute 3 Treffer erzielt und mit seinen 2:55 Minuten den 16. Platz unter 92 Wettkämpfenden der Tagesrangliste erreicht. Doch Anton (im schwarzen T-Shirt) bringt gleich 4 Schüsse ins Ziel und zieht damit in die Top 10 ein. Das lässt Oskar keine Ruhe. Der Taekwondo-Kämpfer kommt eine halbe Stunde nach seinem ersten Wettkampf noch einmal zur Biathlonarena zurück, bündelt seine Kräfte und schafft ebenfalls die 4 Treffer im zweiten Versuch. So geht’s für beide Langes in die Top 10.

4 Treffer schafft auch Ernesto Reck (untere Bildzeile rechts). Der erst 11-jährige Kanute schiesst jedoch noch aufliegend und das macht er ausgezeichnet. Auch der 12-jährige Schwimmer Raul Thomschke erweist sich als besonderes Talent. Raul nimmt unser Angebot, aufliegend zu schießen gar nicht erst an, sondern legt mit dem für ihn viel zu schweren Biathlongewehr trotzdem 2 Treffer vor, ehe ihm das Gewicht dann tatsächlich weitere Treffer vereitelt. Alle 4 beweisen sich als Ritter von morgen.

Zwei Helden, aber tragische

Jason Schubert (untere Bildzeile mit Kappe) hätte es wahrlich verdient zum Helden dieser Etappe zu werden. 4 Mal versucht sich der Kampfsportler an diesem heissen Tag im Wettkampf, sammelt ganz schön Meter auf dem kräftezehrenden Skilanglauf-Cardiogerät und tatsächlich auch zahlreiche Treffer. 3 sind es zusammen mit 2:48 Minuten im ersten Versuch. Rasche Lernfähigkeit bringen ihm wenig später 4 Treffer und 2:35 Minuten. Damit bleibt er eine Sekunde hinter Matteo Depascale. Doch im weiteren Versuch lässt Jason auch Matteo hinter sich und legt die 4 Treffer in 2:24 Minuten hin. Nur eines will ihm heute nicht ganz gelingen, das fehlerlose Schießen mit 5 Treffern. Jason wird am Tagesende Zweitbester des Tages.

Auch Leichtathletiktrainer, Maik Dronigke (obere Bildzeile im dunkelblauen Dress) aus Dresden steht dicht vor dem ersten perfekten Biathlon des Tages. Doch auch der Nachwuchstrainer der SG Weixdorf muss erleben, wie ein kleiner Wackler und wenige Millimeter am Ende Platz 4 statt den Sieg bringen.

Die Festung Königstein bekommt doch noch ihren Biathlon-Meister

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Dieser Spruch scheint auch zu gelten, wenn man Letzterem rund 250 m näher rückt. Doch am Ende bringt der Festungs-Biathlon über der Elbe dann eben doch einen Meister hervor. Der Freiberger Pascal Moratzky hat mit Biathlon eigentlich “nicht viel am Hut”, ist Inhaber der Musikkneipe “Alles im Club”. Heute animiert ihn der sportliche Festungstag jedoch mit seinem Inhaber-Kollegen Thomas Banajanz zum Wintersport im Sommer anzutreten und was 91 Wettkämpfenden verwehrt bleibt, das gelingt dem Konzertmanager beinahe spielerisch leicht. Nur 2:58 Minuten nach seinem ersten Stockschub setzt Pascal mit seinem 5. Schuss den 5. Treffer. Die bringen dem Stimmungsmacher und AiC Fanboy zwar nicht Ebs Röschs Goldmedaille von 2006 aus Turin ein, die etwas Olympiaflair auf den Exerzierplatz zaubert, wohl aber die Reise zum Finale der Biathlon Deutschland Tour im Februar 2025 nach Oberhof für 2 Personen, wo Pascal gegen die Sieger der anderen Touretappen um den Toursieg kämpfen wird und dabei auch Ebs wiedertreffen wird, der dann in der Oberhofer Skisporthalle sein Coach sein wird. Wir freuen uns schon auf das Wiedersehen mit dem Musikus und Biathlon-Ritter der Festung Königstein.

Die Biathlon-Tour sagt herzlich Dankeschön

Nun heisst es Abschied nehmen von einer anderen Welt, von einer Location, die einen wirklich entführen kann, den Alltag einmal ganz und gar hinter sich zu lassen. Toll war’s im Mittelalter auf dem Felsplateau hoch über der Elbe. Die Biathlon-Tour sagt herzlich Dankeschön bei allen motivierten Wettkämpfenden, die “Festung für Freizeitsportler” zu einem lebendigen Ereignis machten. Ein großes Dankeschön gilt Sachsens Sportler des Jahres von 2006 und zugleich besten Sächsischen Biathleten, Ebs Rösch, der hier in seiner Heimat ein Idol ist und den Leuten als Coach, Fan, Unterstützer oder einfach nur Gesprächspartner den gesamten Tag über viel Freude machte. Der abschließende Dank geht an unsere Gastgeber, das Team der Festung Königstein gGmbH, die beeindruckend hilfsbereit sind und uns zudem wahrlich großzügig verpflegt haben. Wir wünschen Simone Voigt und ihrem Festungsteam, dass “Festung für Freizeitsportler” in den kommenden Jahren den Erfolg auch bei den Besucherzahlen haben wird, den dieses tolle Programm heute schon verdient gehabt hätte. Und vielleicht dürfen wir dann auch einmal wieder die Festungsmauer erobern und Biathlonritter küren? So sagen wir an dieser Stelle “Auf Wiedersehen Festung Königstein”.

Bilder: Gisi und Luca Feulner, Wettkämpferbetreuung: Siegward Pein, Marco Feulner, Luca Feulner, Social Media-Betreuung: Lena Bremer und Marvin Meisel; Text und Moderation: Martin Bremer

Der andere Blick auf die Biathlon-Tour: instagram @biathlontour