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Die 2-Minuten-Schallmauer ist durchbrochen
70 Wettkampfteilnehmer, rund 400 Neugierige „Schnupperschützen“ bei traumhaftem Sommerwetter im ehrwürdigen Wittringer Stadion und zu guter Letzt noch einen neuen Führenden in der Tour-Gesamtwertung: Die 4. Etappe der Tour im Rahmen der Gladbecker Familiade war erneut ein Fest für zahlreiche Biathlonfans aus der näheren und ferneren Umgebung.
Wer nicht aus Gladbeck kommt, der ist bereits überrascht, wenn er von der B 224 in den Wittringer Wald einbiegt. Idyllisch gelegen bildet das denkmalgeschützte Wittringer Stadion mit seinen in den 20er-Jahren erbauten Rundbögen eine ebenso charmante Kulisse, wie das unmittelbar benachbarte Freibad. Kulturell Interessierte kennen Wittringen wegen des sehenswerten Wasserschlosses mit fulminanter Parklandschaft, die gleich westlich des Stadions angrenzt.
Vielleicht 5 Autominuten sind es nur von Deutschlands modernstem „Fußballtempel“, der Veltins-Arena, bis hierher zu ihrem „Gegenstück“ im besten Sinne. Im Gepäck hat die „große Schwester“ ihre mobile Biathlonarena, mit der sie den Biathlon auf Schalke als Mitmach-Erlebnis in die Region bringt. Das Stelldichein in Gladbeck fällt zusammen mit dem „Supersonntag“, der neben der Familiade zudem das Fußballturnier „Bürgermeistercup“ bietet und zugleich ein fröhlicher Ausklang für die Teilnehmer der RuhrGames ist, die am Abend zuvor stimmungsvoll zu Ende gingen.
Spaß steht bei manchem Generationenduell im Vordergrund
Begünstigt vom herrlichen Sonnenschein finden mehrere tausend Teilnehmer und Besucher den Weg ins Wittringer Stadion und der Veranstaltungstitel „Familiade“ beschreibt das Publikum schon sehr gut. In der Biathlonarena dürfen wir vom Enkel bis zu den Urgroßeltern wieder die ganze Bandbreite der Generationen begrüßen und schön ist, dass es tatsächlich auch häufig zu spannenden „Generationen-Duellen“ kommt, weil die Älteren eine bemerkenswerte Neugier für den Biathlon empfinden und beherzt aus der Zuschauerrolle ins Mitmachen hineinfinden.
Diese Atmosphäre aus Sport und Spaß, bei der wirklich jeder sein – häufig erstes – aktives Biathlonerlebnis erfahren kann und dabei fachlich betreut an originalen Biathlongewehren auch ganz nah am echten Biathlon schnuppert, machen den Reiz der Biathlon auf Schalke-Tour aus.
Der Kampf um den Tagessieg
Dass der sportliche Aspekt der Tour nicht zu kurz kommt, dafür sorgen alleine schon die beiden Gänsehaut-Tickets für den Biathlon auf Schalke am 28.12., die der Tagessieger als Prämie heute erringen kann. Aus dem Innenraum der Veltinsarena werden die glücklichen Gewinner dann die weltweit spektakulärste Biathlon-Challenge erleben können und zudem im VIP-Bereich das Catering genießen. Doch zunächst muss im Biathlonduell der 200 m-Lauf auf dem E-Glide Crosstrainer bewältigt und vor allem die 5 Schüsse im Stehendschießen in die 60 mm kleinen Zielscheiben gebracht werden. Wer ohne Fehlschuss 5 mal trifft, darf sich berechtigte Hoffnungen auf den Tagessieg machen, denn dieses Kunststück gelang auf den ersten 3 Etappen nur insgesamt 4 von 150 Teilnehmern.
Ein Gladbecker erobert die Führung
Erster im Bunde der Fehlerlosen ist heute bereits in der ersten Wettkampfstunde der Gladbecker Reiseverkehrskaufmann Ralf Böhm. Der Leiter eines eigenen Reisebüros war in seiner Jugend im Schützenverein. Neben seiner Arbeit hält er sich mit Jogging und Joga fit. Alle diese Qualitäten wirft er in die Waagschale und setzt sich nach einem überragenden Schießergebnis mit 5 Treffern und der Zeit von 2:33 Minuten vorübergehend an die Spitze der Tageswertung.
Die ruhige Hand des Bogenschützen
Auf den Etappen in Castrop-Rauxel und in Mülheim hätte Ralf mit dieser Leistung den Tagessieg errungen, doch heute kommt ihm der ehrgeizige Martin Junker in die Quere. Auf dem E-Glide tritt er mit dem Handicap eines recht hohen Gewichts an, aber man sieht bereits, dass er ein ausgezeichneter Kämpfer ist. Später verrät er mir, dass er viele Jahre in der Football-Bundesliga gespielt hat. OK, Zähigkeit kommt nie von ungefähr. Aber die große Stärke des früheren Bogenschützens liegt in seiner außergewöhnlich ruhigen Hand. Obwohl mächtig ausser Atem, schießt er extrem schnell…
...und vor allem treffsicher. Fast unglaublich, aber er setzt sich in 2:26 Minuten sogar noch vor Ralf Böhm und bringt seine Begeisterung über den möglichen Gewinn der beiden Gänsehaut-Tickets so sympathisch zum Ausdruck. Mehrmals kommt er zur Biathlonarena um zu schauen, ob sein 1. Platz noch Bestand hat. Einmal muss er dabei den Wettkampf von Rene Kunick mitverfolgen.
Der E-Glide-Champion
Rene war in seiner Jugend 3 x Bochumer Stadtmeister im Brustschwimmen. Heute ist er als Trainer der Fußballjugend des SV Eintracht Krumme / Bochum in Gladbeck und nutzt die Spielpause seiner Jungs, um selbst aktiv zu werden. Auf dem E-Glide legt der 22-jährige ein unglaubliches Tempo vor. Noch bemerkenswerter ist, dass er dieses Tempo tatsächlich halten kann und bereits nach 72 Sekunden die 200 m-Strecke bewältigt hat. Damit ist er rund 35 Sekunden schneller als der bisher Führende Martin Junker.
Beim Schießen lässt sich Rene sehr viel Zeit und genau das erweist sich als goldrichtig für ihn. Er lässt die unruhige Atmung abflachen, atmet zwischen drin mehrfach tief durch und bringt 4 Treffer ins Ziel. Die Pause vor dem 5 Schuss wird fast zur Ewigkeit. Ist er tatsächlich so cool, dass er den Vorsprung auf Martin Junker intuitiv verwaltet? Schuss! Treffer. Gewehr abgelegt und Rene sprintet ins Ziel. Die Uhr bleibt bei starken 2:13 Minuten stehen. Der faire, aber auch sichtlich enttäuschte Martin Junker gratuliert dem neuen Spitzenreiter.
Das Etappenhighlight liegt noch vor uns
Schon bis hierhin wäre es die Geschichte einer aufregenden Etappe. Doch ihr eigentliches Highlight soll noch folgen. 40 Minuten vor Etappenende melden sich die beiden Freunde und Skilangläufer Marco Dielentheis und Julian Puderbach zum Wettbewerb an. Beide hatten über den Tag schon im Schnupperschießen gezeigt, dass sie Talent im Umgang mit dem Biathlongewehr haben. Sollte es also doch noch mal eng werden für Rene Kunick? Dafür müsste schon alles passen, denn die 2:13 Minuten sind ja immerhin das drittbeste Resultat in der bisherigen Tourgesamtwertung.
Auf den ersten Metern des E-Glide-Rennens wird aber deutlich, Marco und Julian meinen es ernst. Da ist kaum ein Unterschied auszumachen im Vergleich zu dem verwegenen Rennen, das Rene zuvor abgeliefert hat. Auf den zweiten hundert Metern wird es aber sehr hart für die beiden 20-jährigen Rheinländer, die in Neuwied zu Hause sind. Beinahe zeitgleich in großartigen 75 bzw. 76 Sekunden verlassen sie die E-Glides und rennen zu den Gewehren. Kleiner imaginärer Vorsprung von 3 – 4 Sekunden also für den jetzt zusehenden Rene.
Jede Sekunde kann nun die Luft rausgehen aus der Hoffnung, noch den Tagessieg zu erringen, denn nur bei einem einzigen Fehlschuss ist die Chance vertan. Doch Marco und Julian machen es richtig spannend. Zunächst scheint Marco im Vorteil. Er liegt stets einen Treffer im Vorsprung: 2:1, 3:2, 4:3. Julian gleicht aus: 4:4. Beide schießen sehr schnell und jetzt entscheidet bei beiden der letzte Schuss. Marco kommt aus dem Rhythmus, weil er das Magazin nachladen muss, vermutlich ein Repetierfehler bei einem der ersten 4 Schüsse. In der Zwischenzeit bringt Julian den 5. Schuss ins Ziel und stürmt in unglaublich guten 1:51 Minuten ins Ziel. Rene noch abgefangen, der erste Sieger unter der Schallmauer von 2 Minuten. Und während Julian jubelt bleibt auch Marco in 1:57 Minuten unter dieser Schallmauer, doch sein finaler Schuss ging daneben, so dass er mit 4 Treffern den für ihn sicherlich enttäuschenden 5. Platz erreicht.
Doch Freundschaft zeigt sich ja gerade auch in Momenten der Enttäuschung. Marco freut sich sichtlich mit Julian, der seinerseits keinen Zweifel daran lässt, wem er das zweite Gänsehaut-Ticket für den 28.12. schenken wird. Eines jedenfalls ist klar: Es wird wohl kein anderer Etappensieger mit einem so leistungsstarken Betreuer zum Finale in die Veltinsarena kommen, wie Julian mit Marco.
Julians Erfolg wird im Nachhinein schlüssig, denn der Elektriker ist seit der Kindheit begeisterter Sportler und holte sich bereits 2003 in Winterberg den Titel eines Deutschen Meisters im Nordic Blading (Inlinern mit Stockeinsatz). Ein komplizierter Armgelenksbruch bremste zwar über Jahre seine leistungssportlichen Ambitionen, doch auch mit seinem Weg als B-Trainer für Skilanglauf macht Julian einen zufriedenen Eindruck. Beruflich geht es für den 20-jährigen bald wieder auf die Schulbank. Das Fachabitur steht an, um danach ein Studium der Elektrotechnik beginnen zu können.
Sportlich hat er sich mit seinem Ergebnis in Gladbeck nun zunächst einmal zum Favoriten für das Finale der Biathlon auf Schalke-Tour gemacht. Aber bis dahin werden noch 12 Gegner Julians ermittelt. Sicher ist deshalb nur, dass wir Julian und Marco beim Finale wiedersehen und darauf freut sich das IQ-Team jetzt schon.
Wir sagen herzlich Dankeschön
Einen herzlichen Dank richten wir an die Trainer und Ausbilder des Skiverbandes Rheinland, die in Gladbeck Einführungskurse im Nordic Skating für alle Neugierigen organisierten. Die Kurse wie auch das Ausleihen der Skates und Stöcke blieb dabei für alle Interessierten kostenfrei und wurde begeistert angenommen.
Unser besonderer Dank gilt dem Sportamt der Stadt Gladbeck und seinem Leiter Dirk Knappmann, der von unserem Vorschlag einer Biathlon auf Schalke-Touretappe auf der Familiade begeistert war und entschlossen den Weg dazu ebnete.
Fotos: Dani Schwammenhöferova
Bericht: Martin Bremer
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