Tourauftakt zwischen Hagel und Sonnenschein
Während sich die Saison der Biathlonprofis ihrem Ende nähert, beginnt die Biathlon-Tour 2019 an diesem letzten Winter-Sonntag in Nordrhein-Westfalens Wintersportregion, dem Hochsauerland, beim Frühlingsfest in der City der Hochschulstadt Meschede. Den beliebten Wintersport für Jedermann attraktiv als Mitmachevent aufzubereiten heisst eben auch, es vorzugsweise in der wärmeren Jahreszeit anzubieten. Das Stadtmarketing Meschede ging mit diesem Termin Mitte März ein gewisses Wetter-Risiko ein, doch setzte auf die hohe Aufmerksamkeit, die dem Biathlon speziell an diesem letzten WM-Wochenende im schwedischen Ostersund zuteil wird. Und so können die Biathlonfans im Hochsauerland heute sowohl die WM-Massenstartrennen der Frauen und Männer am Fernsehschirm verfolgen und zuvor, dazwischen oder danach diese Sportart selbst aus der Perspektive des Wettkämpfers erleben. Während der sonnigen Abschnitte des Tages waren Interesse und Neugier an dieser sportlichen Variante des verkaufsoffenen Sonntags sehr erfreulich. Zwischenzeitlich vertrieben Regen, Sturm und Hagel die Menschen immer wieder von den Straßen in die Geschäfte und Cafes. Den Händlern und Gastronomen sei es gegönnt.
Das Mescheder Stadtmarketing: Etappengastgeber der 1. Stunde
Eine der ersten Etappen im Auftaktjahr 2015 der Biathlon-Tour war jene zum Bürgerfest-Sonntag hier auf dem Von-Stephan-Platz. Christoph Hermes vom Stadtmarketing Meschede konnte der Idee eines sportlichen Mitmachevents zum verkaufsoffenen Sonntag gleich etwas abgewinnen und Biathlon passt bestens zum Hochsauerland mit seinen Leistungsstützpunkten in Winterberg und Willingen. So macht die Tour nach 2015 und 2017 nun bereits zum dritten Mal in der Kreisstadt an Ruhr und Henne Station und hat die sympathisch aufgeschlossenen Hochsauerländer längst schätzen gelernt. 65 Wettkämpfer und einige 100 Schnupperschützen drücken die Lebendigkeit der Etappe auch quantitativ aus, doch besonders in Erinnerung bleiben erneut das Engagement der Wettkämpfer und die fröhliche Stimmung der Mitmacher und Zuschauer an der Biathlon-Arena.
Der Wettkampf um den Etappensieg
Ende Januar waren sie als Etappensieger 2018 noch beim Biathlon-Tourfinale in Ruhpolding am Start und mit dem heutigen Tag beginnt für Jana und Dirk Harmeling die Mission “Etappensieg 2019”. Drei mal in Folge waren Tochter und Vater, immer unterstützt vom guten Familiengeist, Silvia, als Etappensieger bei den Tourfinals dabei und gehören seither zu den zielsichersten Tour-Wettkämpfern. Dass sie heute den weiten Weg aus dem Münsterland ins Hochsauerland zurücklegen und an Dirks Geburtstag der Feier den Biathlonwettkampf vorziehen, zeigt die ganze Motivation mit der die beiden um ihre vierte Finalteilnahme kämpfen. Im Dreikampf mit Jana und Dirk hat aber an diesem frühen Mittag zunächst Lokalmatador Christian Kenter die Nase vorn. Jeweils drei Treffer von Jana und Dirk übertrifft der Brandschutzexperte aus Meschede mit 4 Treffern und 2:33 Minuten und holt damit zunächst die Etappenführung. Der Wettkampf um den Etappensieg besteht auch zur Tour 2019 aus einem 400 m kurzen Skilanglauf auf den Thoraxtrainern. Es folgen gleich im Anschluss 5 Schüsse Stehendschießen aus 10 m Entfernung auf Ziele mit 45 mm Durchmesser. Gewinner ist der Wettkämpfer mit den meisten Treffern. Bei Treffergleichheit gewinnt der Schnellere. Die Zeit läuft vom ersten Skilanglauf-Meter bis zum vollendeten 5. Schuss, so dass auch die Taktik von Relevanz ist, wie rasch nach der Belastung geschossen wird und wie schnell der Rhythmus zwischen den Schüssen ist. Genau dies wird im weiteren Verlauf des Tages noch relevant sein.
Wer wird Familienchampion
Die ersten beiden Etappenstunden, als der verkaufsoffene Sonntag noch gar nicht eröffnet ist, lassen den Neugierigen noch viel Zeit zu üben und das Equipment kennenzulernen. Manche Familie sucht dabei im Wettkampf ihren Biathlonchampion. Im Bild oben links hat der 12-jährige Tim (in der roten Jacke) mit 2:1 Treffern knapp die Nase vorn gegen Papa Klaus (im Vordergrund). Noch besser machen es im Eheduell Sandy und Fabrice Luckmann (Bild oben rechts). Beide schaffen 3 Treffer und Fabrice gewinnt mit der schnelleren Zeit knapp. Zu den Besten der frühen Etappenphase gehört der Niederländer Michael Dekesel (im Bild oben, unten links im Duell mit Freundin Indra Goossen). 4 Treffer und 2:48 Minuten bringen zunächst Platz 2 und am Etappenende den 7. Platz. Ebenfalls in die Top 10 der 65 Wettkämpfer schafft es Jenny Brüggemann (im Bild oben, unten rechts im Duell mit Sohn Nick). Auch Jenny schafft 4 Treffer und dabei die Zeit von 3:42 Minuten. Spürbar kommt die Etappe ihrem ersten fehlerlosen Schießergebnis näher.
Da passt fast alles
Einmal mussten sie üben, Jana und Dirk Harmeling, doch schon mit ihrem 2. Wettkampf finden beide ihre Schießperfektion zurück. 10 Schüsse, 10 Treffer und besonders beeindruckend ist dabei, wie beide das beinahe ohne Verschnaufpause vor dem Schießen schaffen und mit welchen schnellen Rhythmus sie die 5 Treffer setzen. Die 16-jährige Handballerin ist dabei noch etwas risikobereiter, als Vater Dirk. Vom letzten Meter auf dem Thoraxtrainer bis zum 5. Treffer benötigt Jana lediglich rund 20 Sekunden. Die 5 Schüsse setzt sie in fast unglaublichen 7 Sekunden, als wären die Ziele so groß wie ein Handballtor. Mit 2:07 Minuten bleibt Jana 2 Sekunden vor Dirk. Geburtstagsgeschenke verteilt sie an diesem Nachmittag nicht. Etwas unter geht in diesem Dreikampf die starke Leistung von Gregor Roßwinkel. Der Richter aus Hamm belegt mit einem Schießfehler und 2:53 Minuten in diesem Dreikampf Platz 3, doch es ist am Ende der starke 8. Platz im Feld der 65 Wettkämpfer.
Welche Antwort geben die Lokalmatadoren?
Zwei Münsterländer führen die Etappe in Meschede an. Das weckt nun aber doch die Motivation einiger sportlicher Hochsauerländer. So etwa bei den beiden Eslohern Franz Stracke (im Bildvordergrund) und Jan Knobloch (am mittleren Gewehr). Beide schaffen die 400 m-Strecke schneller als die führenden Jana und Dirk. Während Franz am Biathlongewehr 5 “Fahrkarten” schiesst, finden die Schüsse von Jan, dem Vorsitzenden der Wenholthausener Pfadfinder, sehr wohl den Weg ins Ziel. Am Ende trennen ihn nur 4 Sekunden und 1 Fehlschuss von der Etappenführung. Mit 4 Treffern in 2:11 Minuten wird Jan 4. dieser Etappe.
Zehntel Sekunden entscheiden über die Etappenführung
Eine Stunde vor dem Etappenschluss, die Stadt leert sich bereits merklich, gerät der Münsterländer Sieg doch noch ins Wanken. Und ebenso, wie die Etappenführende, ist es ein 16-Jähriger, der dieses späte Highlight setzt. Amir Herlitschka, der Mescheder Gymnasiast, Sportschütze und Fußballtorwart investiert einige Übungszeit an der Biathlon-Arena, um sich an das Infrarot-Gewehr zu gewöhnen und seine Treffsicherheit zu finden. Als es mit dem Gewehr passt, lässt er sich die Technik des Thoraxtrainers zeigen und startet mit Erich Bönner, dem Touretappensieger 2015 in Schmallenberg und Deborah Koegel in den Biathlon-Wettkampf. Dabei zeigt Amir nicht nur einen schnellen Start, sondern auch die nötige Kraftausdauer und wechselt nach starken 95 Sekunden ans Biathlongewehr. In den bisher gut 3 Jahren, in denen die Biathlon-Tour den Thoraxtrainer im Wettkampfeinsatz hat, haben wir noch keinen unter 18-Jährigen gesehen, der nach einer ähnlich schnellen Laufzeit bei seiner Wettkampfpremiere ein fehlerloses Schießen erreicht. Amir zeigt zunächst, dass er – als Fußballtorwart – nicht nur Trefferverhinderung beherrscht, sondern sie auch erzielen kann. Mit den ersten 3 Schüssen legt er 3 Treffer vor. Selbst, wenn er die 5 Treffer schaffen sollte wird es aber ganz eng, die führende Zeit von 2:07 Minuten zu unterbieten. Der junge Mescheder lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, bleibt in seinem Rhythmus und setzt den 4. Treffer. Ob er weiss oder ahnt, dass er innerhalb der nächsten 5 Sekunden seinen letzten Treffer setzen muss, um die Führung zu übernehmen? Er scheint sich einen Moment länger Zeit zu lassen, schiesst und trifft. 5 Treffer und 2:07,00 Minuten. Zehntel Sekunden müssen wir selten bemühen, um den Führenden zu ermitteln. In diesem Fall reicht es für Amir zur Etappenführung. Begeistert von dem greifbar nahen Siegerpreis ist es für ihn eine Selbstverständlichkeit, um kurz vor 18 Uhr für die Siegerehrung wieder zur Biathlon-Arena zu kommen.
Das Duell der 16-Jährigen geht in die letzte Runde
Allzu siegesgewiss darf Amir freilich noch nicht sein. Denn, wenn einem Wettkämpfer der Biathlon-Tour, hier besser gesagt einer Wettkämpferin, das Überraschende zuzutrauen ist, dann sicher Jana Harmeling. 2016 gewann sie als 14-Jährige gegen 120 zumeist männliche Wettkämpfer ihre erste Touretappe in Warendorf und erreichte im gleichen Jahr als eine von 3 Frauen beim Tourfinale der 40 Etappensieger auf Schalke den kaum für möglich gehaltenen 2. Platz. Mit Ihrer Bestleistung von 1:57 Minuten und 5 Treffern 2018 in Wipperfürth ist sie mit weitem Abstand beste Wettkämpferin aller 4 Toursaisons. Und heute? Kann Sie in den letzten Minuten dieser Etappe tatsächlich noch in die Nähe ihrer Bestleistung vordringen? Zunächst ist es erwähnenswert, dass die 3 aus Borken um 17.30 Uhr immer noch in Meschede weilen, wo Jana und Dirk am späten Vormittag vor 12 Uhr heute ihren ersten Wettkampf bestritten. Erwähnenswert auch, wie locker Jana mit der Nachricht umgeht, ihre Etappenführung um wenige Zehntelsekunden los zu sein. Sie wolle ohnehin nochmal an den Start gehen, ist Ihre Antwort. Und natürlich geht auch Geburtstagskind Dirk noch einmal an den Start und kann dem führenden Amir den Sieg noch entreissen. Viele Besucher sind mittlerweile nicht mehr in der Mescheder Innenstadt, doch einer ist gerade zum Start der beiden Harmelings zurückgekehrt: Amir Herlitschka. Zusammen mit ihm erleben wir knappe 2 Minuten, wie sie die Biathlon-Tour 2019 hoffentlich noch einige zu schreiben wissen wird. Die ersten 1:42 Minuten laufen durchaus erwartbar. Dirk hat knapp vor Jana bereits das Biathlongewehr erreicht. Nun schaut mal auf eine Uhr und lasst 15 Sekunden vergehen. Länger braucht Jana nicht, um vom Thoraxtrainer zum Gewehr zu sprinten, ein-, zweimal tief durchzuatmen und dann in 7 Sekunden mit ihren 5 Schüssen 5 Treffer zu erzielen. Während des Schießens überholt sie den Papa und vergräbt den Kopf vor Freude auf dem Schießtisch. Im Gesicht von Amir lässt sich ein Hauch von Fassungslosigkeit ablesen. 1:57 Minuten und 5 Treffer. Bestleistung eingestellt und Etappenführung zurückerobert. Da bleiben nur Staunen und größter Respekt vor Janas Leistung.
Dass Amir mit dem letzten Wettkampf des Tages noch die Chance auf den finalen Konter nutzen möchte, spricht für den jungen Mescheder. Doch heute reicht es nicht ganz für ihn. Beim Versuch des ganz schnellen Schießens unterlaufen ihm 2 Fehlschüsse. Doch versprochen: Sollte ein Etappensieger 2019 seine Finalteilnahme absagen, dann bekommt Amir die Chance nachzurücken.
Uns bleibt am Schluss dieser Etappe unser Dankeschön an alle Wettkämpfer für ihren sportlichen Einsatz und an das Stadtmarketing Meschede für das kontinuierliche Vertrauen in die Biathlon-Tour, das nun bereits 3 Etappen in der Hochschulstadt hervorgebracht hat.
Bilder: Sandra Blömeke Text: Martin Bremer